Die gespaltene Nation by Frankfurter Allgemeine Archiv

Die gespaltene Nation by Frankfurter Allgemeine Archiv

Autor:Frankfurter Allgemeine Archiv
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlag
veröffentlicht: 2016-09-15T00:00:00+00:00


Spitze Pfeile des Bedauerns

Obama gesteht ein, dass sich Amerikas Spaltung in seiner Amtszeit vertieft hat. Doch seine Rede zur Lage der Nation ist eine Anklage gegen die Republikaner.

Von Andreas Ross

Es kommt nicht oft vor, dass Barack Obama ein persönliches Versagen zugibt. Doch am Ende seiner achten und letzten Rede zur Lage der Nation bekundet der Präsident am Dienstagabend sein 'Bedauern' darüber, 'dass der Groll und der Argwohn zwischen den Parteien schlimmer statt besser geworden sind'. Noch im Eingeständnis der Niederlage gibt Obama seiner Neigung nach, sich in eine Reihe illustrer Amtsvorgänger zu stellen: 'Zweifelsohne hätte ein Präsident mit der Begabung eines Lincoln oder Roosevelt die Spaltung besser überbrückt – und ich garantiere Ihnen, dass ich weiter versuche, besser zu werden.'

Im vergangenen Jahr verzweifelten die Republikaner über Erfolge Obamas wie die Supreme-Court-Urteile zugunsten seiner Gesundheitsreform und der Homoehe sowie über das Atomabkommen mit Iran. In knapp drei Wochen fällt in Iowa die erste Entscheidung im Vorwahlkampf um seine Nachfolge. Da ist Obama keineswegs ins Kapitol gekommen, um Asche auf sein Haupt zu streuen. Er denkt nicht daran, den Beinahe-Konsens auszubuchstabieren, wonach er sein Versöhnungsversprechen schon in seinen ersten beiden Amtsjahren brach, um mit dem damals noch demokratisch dominierten Kongress die Gesundheitsreform durchzupauken. Vielmehr stellt der Präsident die Abgeordneten und Senatoren als hasenfüßig dar: Viele von ihnen sähen 'gern mehr Kooperation und ein höheres Debattenniveau, wähnen sich aber in den Zwängen des Wahlkampfs gefangen'. Schon vorher hatte sich der Präsident eine Spitze gegen sein Publikum erlaubt: 'So ziemlich die einzigen Menschen in Amerika, die dreißig Jahre lang am gleichen Ort den gleichen Job mit Kranken- und Rentenversicherung machen werden, sitzen hier im Plenarsaal.'

Der freche Ton bestimmt die Ansprache. Zu Beginn bietet Obama den vier Senatoren im Saal, die seine Nachfolge antreten wollen, 'Tipps' für den Wahlkampf in Iowa an. Natürlich nennt der Präsident keine Namen, aber durchweg geht er hart mit Donald Trump und anderen republikanischen Kandidaten ins Gericht. Trumps Mantra 'Wir verlieren überall' hält Obama entgegen: 'Wer behauptet, dass sich Amerikas Wirtschaft im Niedergang befindet, der geht mit Fiktion hausieren.' Ungefähr an dieser Stelle setzt Trump seine Twitter-Botschaft ab, wonach die Rede des Präsidenten 'langweilig' sei. Die wirtschaftlichen Ängste der Amerikaner, versichert Obama im Gleichklang mit den demokratischen Präsidentschaftskandidaten, verstehe er sehr wohl. Digitalisierung, Automatisierung und Globalisierung verhinderten oft steigende Löhne, verminderten die Loyalität von Unternehmen gegenüber ihren Belegschaften und führten zu einer krassen Konzentration des Reichtums 'ganz oben'. Man könne nun gern darüber streiten, welche Rolle der Staat zu spielen habe, um die Amerikaner vor derlei Zumutungen zu schützen. Doch klar sei: 'Die Empfänger von Lebensmittelmarken haben die Finanzkrise nicht verursacht, und Einwanderer sind nicht der Grund für zu langsam wachsende Löhne.'

Obama wirbt für neue Energien und gießt Spott über die konservativen Klimawandelskeptiker: Als die Russen vor sechzig Jahren Sputnik ins All geschossen hätten, 'da haben wir das weder bestritten noch uns über die wissenschaftlichen Grundlagen gestritten oder unser Forschungsbudget schrumpfen lassen. Fast über Nacht haben wir ein Raumfahrtprogramm begonnen, und zwölf Jahre später liefen wir auf dem Mond.



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